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Moers Festival: Stimmungsvoller Start – und Irritationen

WAZ
19. Mai 2024
Pflichttermin an Pfingsten. Besucherinnen und Besucher des Moers Festivals. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Moers. Das wirre Programmheft verärgert manchen Besucher – und Cannabis kommt nicht in die Tüte. Auftakt für das Jazz-Festival an Pfingsten.

Das „Moers Festival“ ist seit nunmehr 53 Jahren immer wieder auf Aufreger gut – alles andere wäre auch ein Pfingstwunder am Niederrhein. 1994 nahm man es mit einigem Unmut hin, als Festivalgründer Burkhard Hennen den „New Jazz“ aus dem traditionsreichen Namen strich – da wehte noch der Duft von nassem Gras durch das riesige Zirkuszelt im Moerser Schloßpark. Draußen dagegen schnüffelten die Ordungshüter gelassen in die andere Richtung, wenn ihnen die Gerüche einschlägiger Substanzen unter die Nase kamen.

Inzwischen zeigte das damals allgegenwärtige „Legalize it!“ bekanntermaßen Wirkung – nur in Moers gilt heuer: Cannabis – kommt nicht in die Tüte! Die am Freitag noch omnipräsenten Verbotsschilder waren freilich am nächsten Tag bereits verschwunden – vermutlich hatten sie sich die Festivalveteranen als Andenken unter den Nagel gerissen.

Angelina Tashiya Akawa trat am Samstag beim Moers Festival auf. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Mehr Grund zur Aufregung bot nur der mit einem eigenwilligen Humor gesegnete Festivalmacher Tim Isfort, als nicht ganz sauber tickender Sohn einer alteingesessenen Moerser Uhrmacherfamilie sozusagen das „Schwarze Schaf vom Niederrhein“, um Hanns Dieter Hüsch zu zitieren. Dessen Toleranz-Hymne „Das Lied vom Runden Tisch“ erklingt in diesem Jahr zunehmend nerviger vor jedem einzelnen Konzert.

Jazzkenner können bei den Programmtexten des Moers Festivals nur rätseln

Aber das ist nichts im Vergleich zu den unsäglich verqueren Programmtexten, deren psychedelische Inhaltsleere schon im Vorfeld des Pfingstereignisses so manchen Besucher arg verärgerte. Selbst ausgewiesene Jazzkenner konnten da nur rätseln, wen und was man denn da in der vor zehn Jahren eröffneten Festivalhalle, Open-Air am Rodelberg oder einer der sonstigen, über die Stadt verteilten Spielstätten zu hören bekäme.

Michiyo Yagi beim Moers Festival. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Kein Wunder also, dass der launig bis gewagt moderierende Tim Isfort bei jedem Hinweis auf sein dickes Programmheft mit lautstarken „Buhs“ konfrontiert wurde, was er selbstbewusst einfach weglächelte. Konnte er auch getrost, denn sein zunächst unverständliches Programmkonzept mit den Schwerpunkten Namibia und Japan erwies sich bereits in der ersten Spielhälfte als überraschend zugänglich und weit weniger wirr als befürchtet.

Pfingstsonntag berichtet WDR 3 über das Moers Festival

So erlebte man kammermusikalische Streicher-Improvisationen und impressive Vokalkunst, außerdem hypnotisch pulsierende Elektroniker, starke Duos mit so selten gepaarten Instrumenten und beinhart groovende Avantgarde-Combos in einer stimmig-abwechslungsreichen Mischung, die das Festival-Motto „… nix Weltbewegendes“ erfreulicherweise denn doch Lügen strafte.

Heute und morgen geht Moers als – na guck – „Jazzfestival für Musik, Besinnung, Politik, Superheldinnen und: Zusammensein!“ heiter weiter. Ein spontaner Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Und für alle, denen der Weg an den Niederrhein zu weit ist, bietet WDR 3 am Pfingstsonntag ab 20 Uhr die Gelegenheit, auch zuhause live dabei zu sein.

Von Sven Thielmann

Link: https://www.waz.de/kultur/article242371384/Moers-Festival-Stimmungsvoller-Start-und-Irritationen.html (abgerufen am 05.062024 um 17:15)


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