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Moers Festival: Beinharte Jazz-Beats für Superheldinnen

WAZ
20. Mai 2024
Zu Gast beim Moers Festival: die koreanische Band Jambinai. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Moers. Rund 100 Konzerte gingen beim Moerser Pngstfest über die Bühne. Schwer zu sagen, welches das Highlight des Jahres war. Ein Versuch.

Vor genau 30 Jahren strich der Festivalgründer Burkhard Hennen zum Unmut vieler Fans den „New Jazz“ aus dem traditionsreichen Namen des weltweit bekannten Moerser Pfingstfests. Heuer brachte Tim Isfort, sein zweiter Nachfolger als Programmgestalter, fast unbeachtet das Four-Letter- Word zurück an den Niederrhein. Firmierte das „53. Moers Festival“ doch zumindest auf der Titelseite des ausgesprochen wirren Programmheftes als „Jazzfestival für Musik, Besinnung, Politik, Superheldinnen und: Zusammensein!“

Äh klar, dachten da wohl die das Publikum dominierenden Jazzveteranen, die sich schon im Vorfeld über die rätselhaft psychedelischen Verkündigungstexte des diesmal fast ohne Stars präsentierten Angebots mokiert hatten. Mehr als ein „wer, wann, wo“ blieb da selbst Kennern verborgen, weshalb der mit einem eigenwilligen Humor gesegnete Tim Isfort vier Tage lang denn auch reichlich „Buhs“ für seine gedruckte Handreichung kassierte.

Musikalisch gab es viel Weltbewegendes beim 53. Moers Festival

Noch so ein Aufreger war das von der Landesregierung kurzfristig angeordnete Cannabis-Verbot für alle Festivals. Verkehrte Welt in Moers, hatten dort doch jahrzehntelang die Ordnungshüter gelassen in die andere Richtung geschnüffelt, wenn ihnen die Gerüche einschlägiger Substanzen unter die Nase kamen. So duftete es diesmal unter freiem Himmel am Rodelberg erstmals überwiegend nach dem beliebten Knobi-Brot, auch wenn der ein oder andere Freak verstohlen an einer Tüte nuckelte.

Blick ins Publikum beim Moers Festival am Sonntagabend.
© FUNKE Foto Services | Karl Banski

Immerhin erwies sich das diesjährige Festival-Motto „… nix Weltbewegendes“ als plakative Lüge, obschon so mancher altgediente Moers-Besucher schwer über der Frage rätselte, welches der insgesamt 100 Konzerte – ob am Rodelberg, in der Festivalhalle oder sonst wo im Stadtgebiet – denn wohl das Highlight des Jahres war. Die gar nicht mal enttäuschende Antwort lautet: Kaum zu sagen, allenfalls ragten einige Persönlichkeiten im von Tim Isfort entgegen aller Erwartungen doch verblüffend stimmig komponierten Programm heraus.

Schwerpunkte beim Moers Festival: Japan und Namibia

Das hatte neben Japan als zweiten Schwerpunkt Namibia, der unser koloniales Erbe thematisierte. Leider blieb der in vielen Kontexten präsentierte Buschleute-Chor „Ju/’Hoansi“ ein arg folkloristisches Einsprengsel, während die namibische Sängerin Angelina Tashiya Akawa mit der heimischen Saxofonistin Theresia Philipp und dem Bassisten Robert Lucaciu eine ansprechende, wenn auch nicht weltbewegende World-Jazz-Synthese darbot. Herausragend dagegen der südafrikanische Pianist Nduduzo Makhathini, der im Trio fantastisch zwischen Township-Music und Jazz-Improvisation oszillierte – sozusagen Dollar Brand 2.0 fürs 21. Jahrhundert.

Moers Festival: Das multi-nationale Impro-Ensemble „Brötzfrau“ in der Festivalhalle.
© FUNKE Foto Services | Karl Banski

Der japanische Schwerpunkt fokussierte sich auf zwei konträre Aspekte – beinharte Elektronik einerseits und die zarte Wölbbrettzither Koto andererseits, die von der kraftvoll agierenden Michiyo Yagi erst im intensiven Duo mit der US-Harfenistin Zeena Parkins flirrend erregt wurde und einen Tag später ein Impro-Abenteuer mit dem Berliner Trommel-Ass Christian Lillinger virtuos beseelte.

Zwiegespräche beim Moers Festival: Conny Bauer und Rieko Okuda

Weitaus zarter tönten da die intimen Zwiegespräche des legendären DDR-FreeJazz-Posaunisten Conny Bauer mit der jungen Japanerin Rieko Okuda am sensibel ausgekosteten Flügel – ein anrührender Kontrast zu den lautstarken Electro-Beats im Programm, aus dem die unmenschlich präzise Band „Goat“ des mehrfach zu hörenden Multi-Instrumentalisten Koshiro Hino gnadenlos herausstach.

Schwerpunkt Japan: Die Trommler und Trommlerinnen von Tako Lions beim Moers Festival.
© FUNKE Foto Services | Karl Banski

Eine kleine, feine Entdeckung war das seit 16 Jahren bestehende Trio des US-Pianisten Danny Foxx, das bei seinem Europa-Debüt delikat modern swingte.

Ansonsten freute man sich über heimische Jazzer wie die Urgesteine Jan Klare und Sebastian Gramms, das multi-nationale Impro-Ensemble „Brötzfrau“ in semi-nostalgischer Strahlkraft oder die junge Kölner Cellistin Emily Wittbrodt, die spannungs- und abwechslungsreich ein schönes Panorama zeitgenössischer Klangkunst von Kammermusik bis Improvisationsästhetik aufzeigten, was das zunächst arg skeptisch beäugte und trotz der Regenschauer am Pfingstsonntag erfreulich gut besuchte „Moers Festival“ dann doch überzeugend abrundete.

Link: https://www.waz.de/kultur/article242379296/Moers-Festival-Beinharte-Jazz-Beats-fuer-Superheldinnen.html (abgerufen am 29.05.24 um 17:15)


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